Die grösste Angst als grösste Entwicklungschance

by Rebekka Thommen on 23/02/2018 No comments

Die grösste Angst als grösste Entwicklungschance

Viele Jahre war meine allergrösste Angst, keine Kinder zu haben. Mir war schon seit Teenager-Alter klar, dass Kinder in meinem Leben einfach «sein müssen» – es gab gar kein anderes Szenario. Für mich war die Vorstellung eines Lebens ohne eigene Kinder schlichtweg sinnlos.

Als vor vier Jahren die Beziehung endete, bei welcher ich angenommen hatte – auch rein schon meines Alters wegen – dass daraus Kinder hervorgehen «müssten» merkte ich, dass es eng werden könnte mit meinem Wunsch. Zwei Tage bevor die Beziehung beendet wurde hatte ich noch meinen Job gekündigt und ich wusste auch, dass meine Mutter in den nächsten Monaten sterben würde. Alle Zeichen standen also auf Umbruch.

In dieser Zeit sagte ein für mich damals wichtiger Mensch zu mir: «da wo die grösste Angst ist, da geht’s weiter». Das wirkte auf mich erst kontraintuitiv. Natürlich tat es das, weil ich – wie die meisten in unserer Gesellschaft – darauf getrimmt war, die Angst nicht spüren zu wollen. Wenn ich nicht gewillt bin, eine Angst einfach bedingungslos zu spüren und zu erkunden, um was es wirklich geht bzw. was dahinter steht, dann gebe ich dem, was ich meine, dass sie mir sagt, sofort nach. In diesem Fall hätte das bedeutet, alles daran zu setzen, diese Kinder zu kriegen. Ich bin rückblickend froh, dass die Umstände und meine aktive Auseinandersetzung mit der Angst so waren, dass das nicht passierte.

In der Zeit, als meine Mutter im Sterben lag und natürlich auch noch nachher, setzte ich mich sehr intensiv mit ihr, unserer Beziehung und dem Abschliessen von notwendigen Themen zwischen uns auseinander. Ich erkannte für mich in dem Prozess, dass die Programmierung «Kinder müssen unbedingt sein», schon die von meiner Mutter gewesen war und ich diese natürlich vollautomatisch zu meiner Wahrheit gemacht hatte.

Der Tod meiner Mutter konfrontierte mich natürlich sehr stark mit mir selbst. Ich fragte mich: was, wenn ich in wenigen Jahren auch eine Krebsdiagnose erhalte? Wäre ich in Frieden damit, wie ich bis anhin mein Leben gelebt hatte oder wäre ich unversöhnt, weil ich wichtige Dinge zu lange vor mich hin geschoben habe? Eine Konsequenz dieser Reflexion war eben, meinen sicheren, angenehmen Job aufzugeben, der mich aber langweilte, weil ich spürte, da „gibts noch mehr“. Schon seit Jahren war der Wunsch da, etwas in Richtung «Psychologie, Bewusstseinsentwicklung, Arbeit mit Menschen» zu machen, aber weder wusste ich was genau, noch wusste ich recht, wie dorthin kommen, weil z.B. ein mehrjähriges Psychologie-Studium für mich kein Thema war. Ich wusste, ich will in diese Richtung, aber es war alles unklar und schien unerreichbar. Ich merkte, dass ich mit dem Kinderthema diesen Wunsch nach beruflicher Neuorientierung ein paar Jahre hätte rausschieben können. Ich sage auch gar nicht, dass das falsch gewesen wäre, hätte ich es ganz bewusst getan. Aber ich spürte, dass es zu einem sehr guten Teil Kompensation der wirklichen, persönlichen Sinnfrage gewesen wäre.

Trotz der Einsicht, dass der Kinderwunsch zumindest teilweise ein «Kompensationswunsch» war, verschwand er natürlich nicht sofort und gleichzeitig blieb ich blockiert im Bereich berufliche Neuorientierung, wo ich mich in unterschiedlichen Projekten versuchte. Ausserdem klappte es auch nicht mit dem Liebesleben. Mir ging es physisch sowie psychisch miserabel. Ich fühlte mich wie die grösste Verliererin: Mitte dreissig und keine Beziehung, keine Kinder, keine Ahnung, wie es beruflich weitergehen sollte.

So lief ich Mitte 2015 eines Morgens ins Büro und sagte meiner damaligen Arbeitskollegin: «Ich glaube ich habe einen Nervenzusammenbruch». Ich liess mich beim Arzt checken und physisch war alles ok, aber psychisch wusste ich, dass es so nicht weitergehen kann. Ich flunkerte den Arzt an, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, und buchte mir ein Ticket nach Sri Lanka, um mich auf eine mehrmonatige Reise zu begeben, auf der ich Abstand zu allem und dadurch innere Klarheit erreichen wollte.

Die Reise brachte genau das, was ich wollte. Ich war vorher ziemlich tief in die Ängste reingegangen, keine Beziehung und keine Kinder zu haben sowie es beruflich nicht auf die Reihe zu kriegen. Und kaum hatte ich die Reise angetreten, verwandelten sich genau diese Ängste plötzlich in die grösste Freiheit: ich konnte mich völlig neu erfinden, schuldete niemandem Rechenschaft, musste für niemand Anderen Verantwortung tragen. Plötzlich hatte ich Raum zu erkennen, was wirklich wichtig ist für mich.

The rest is history. Ich stolperte in Bali über Breathwork und ich war wie verliebt. Breathwork half mir mit meinen Emotionen und meiner Vergangenheit Frieden zu schliessen, Verhaltens- und Denkmuster sowohl zu erkennen wie auch zu transformieren, eine tiefere Verbindung zu meiner inneren Weisheit zu finden, mich und meinen Körper mehr zu lieben, körperliche und psychische Freiheit zu gewinnen, tiefe Freude und Lebendigkeit wieder zu entdecken.

Es war klar, dass ich diese Ausbildung machen würde und diese unglaublich Methode in der Schweiz anbieten muss. Kaum zurück fing ich meine erste von vier Coachings-Ausbildungen an und nahm mir sofort einen Praxisraum, um mit meiner Arbeit loszulegen. Meine Neuausrichtung hatte begonnen, und ich merkte, dass dass es diese Art von «Sinn» ist, Menschen in ihren Entwicklungsprozessen zu begleiten, den ich lange gesucht hatte.

Was heisst das nun für die ursprünglich grösste Angst, keine Kinder zu haben? Ich schliesse es nicht absolut aus, noch welche zu haben, aber es ist wirklich schön und befreiend zu spüren, dass es «nicht mehr sein muss», weil ich die Sinnfrage anderweitig für mich geklärt habe.

So habe ich Raum, mich wieder zu fragen: was ist jetzt meine grösste Angst und somit grösste Entwicklungschance?

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