MBSR als Weg zur inneren Freundschaft: Wie Du mit Achtsamkeit die Beziehung mit Dir selbst pflegst und vertiefst
Was heisst „innere Freundschaft“ und warum Achtsamkeit/MBSR?
Freundschaft mit sich selbst – das klingt schön, doch wie fühlt es sich in der Praxis an? Innere Freundschaft bedeutet, dir selbst mit Freundlichkeit, Mitgefühl und Verständnis zu begegnen, besonders in Momenten, in denen du kritisch bist, dich selbst verleugnest oder dich unter Druck fühlst. Es ist die Art von Beziehung, in der du dich selbst hörst, anerkennst, achtest und nährst – so wie du es bei einem guten Freund tun würdest.
Achtsamkeit, und besonders ein strukturiertes Programm wie MBSR (Mindfulness-Based Stress Reduction), bietet einen Rahmen, in dem diese innere Freundschaft wachsen kann. Durch bewusste Praxis und kultivierte Haltungen lernst du im MBSR-Programm, dich selbst anzunehmen – mit all dem, was ist: Freude, Schmerz, Unsicherheit, Unruhe etc.
Im Folgenden erfährst du, was MBSR ist, wie es Haltungen wie Nicht-Bewerten und Selbstmitgefühl kultiviert, welche Herausforderungen auftauchen können, und du bekommst konkrete Übungen und Impulse, damit die Beziehung zu dir selbst gestärkt wird.
Was ist MBSR und welche Haltung fördert es?
MBSR ist ein achtwöchiges Programm, entwickelt von Jon Kabat-Zinn, das darauf abzielt, Stress zu reduzieren, die Selbstwahrnehmung zu schärfen und mehr Gelassenheit im Umgang mit Gedanken, Emotionen und Körperempfindungen zu kultivieren. Bestandteile von MBSR sind etwa Body Scan, Sitzmeditation, achtsames Yoga oder Gehmeditation, sowie informelle Achtsamkeitsübungen im Alltag. Diese Praktiken werden begleitet von Reflexion und Austausch.
Eine zentrale Komponente sind die inneren Haltungen, die mit MBSR geübt werden. Dazu gehören u.a. Nicht-Bewerten, Akzeptanz, Geduld, Vertrauen, Anfängergeist und Seinlassen. Diese Haltungen im MBSR-Programm sind nicht bloss „nice-to-have“, sondern grundlegend dafür, wie Achtsamkeit wirkt – sie ermöglichen, Abstand zu stressauslösenden Gedanken zu gewinnen und Empfindungen zuzulassen, ohne sich mit ihnen zu identifizieren.
Wenn du beginnst, diese Haltungen zu üben, kannst du Schritt für Schritt eine neue Grundhaltung dir selbst gegenüber einnehmen: weniger Urteilen, mehr Fürsorge und mehr Freundlichkeit.
Selbstfreundschaft – was bedeutet das konkret?
„Selbstfreundschaft“ heisst konkret:
- Du erkennst an, dass auch schwierige Gefühle, Unsicherheiten oder Schwächen zu dir gehören – und du behandelst sie nicht als Feinde.
- Du lernst, den inneren Kritiker wahrzunehmen, ohne ihm automatisch Glauben zu schenken
- Du übst dich in Mitgefühl und Selbstfürsorge: z. B. mit beruhigenden Gedanken, einer liebevollen Haltung, kleinen Ritualen, die dir guttun.
- Du machst dir bewusst: Selbstfreundschaft ist kein Luxus, sondern eine Basis für psychische Gesundheit, Resilienz und Wohlbefinden.
Studien zeigen: Selbstmitgefühl steht in Verbindung mit höherem emotionalem Wohlbefinden, weniger Stress, besserer Sensitivität gegenüber eigenen Gefühlen und einer gesteigerten Lebenszufriedenheit.
Wie MBSR hilft, die innere Beziehung zu nähren
Hier wird es konkret: Welche Mechanismen und welche Praktiken helfen dir durch MBSR, diese Beziehung zu pflegen?
Präsenz und bewusstes Erleben
Durch MBSR-Übungen wie Body Scan, Sitzmeditation oder achtsames Gehen lernst du, wahrzunehmen, was gerade im Körper, im Geist los ist. Diese Präsenz ist der erste Schritt, die innere Stimme zu hören – nicht zu urteilen, sondern einfach zu beobachten, was da ist. Du wirst sensibler für Gefühle, Körpersignale und Gedankenmuster.
Selbstannahme und Nicht-Bewerten
Eine der schwierigsten, aber gleichzeitig heilsamsten Haltungen: das Nicht-Bewerten. Viele inneren Konflikte entstehen dadurch, dass wir uns verurteilen – „Ich sollte nicht so sein“, „Ich müsste anders handeln“ etc. MBSR lehrt, solche Bewertungen zu erkennen, sie aber nicht unbedingt als Wahrheit anzusehen.
Akzeptanz heisst hierbei nicht Resignation – nicht gut finden, aber darin Frieden finden, dass etwas gerade so ist wie es ist. Das reduziert den inneren Widerstand und schafft Raum für Fürsorge, Wandel und Wachstum. Studien belegen, dass Menschen mit hoher Akzeptanz und Selbstmitgefühl besser mit Stress, Angst und Depression umgehen können.
Mitgefühl und Freundlichkeit
Selbstmitgefühl (self-compassion) ist eine bewusste Entscheidung, sich selbst mit derselben Güte und Fürsorge zu begegnen, wie du es bei einem Freund tun würdest. Wenn du einen Fehler machst oder dich schwach fühlst, statt dich zu verurteilen, übe Sanftheit. Nutze unterstützende Sätze („Möge ich freundlich sein mit mir selbst“) oder praktiziere die "Liebende-Güte-Meditation" (Metta-Meditation), die auch Teil des MBSR-Programms ist.
Herausforderungen während des MBSR-Programms – innere Hürden und wie man ihnen begegnet
Auch auf dem Weg zu mehr Selbstfreundschaft durch MBSR begegnen uns Hindernisse:
- Der innere Kritiker: Ein starker Automatismus, häufig laut, schnell mit Urteilen, Vergleichen.
- Perfektionismus und hohe Erwartungen: „Wenn ich Achtsamkeit übe, muss ich ruhig sein, konzentriert, alles richtig machen“ – das führt zu weiteren Spannungen.
- Ungewollte Gefühle und Widerstand: Angst, Schuld, Scham, Traurigkeit. Oft ist es unangenehm, sie wahrzunehmen. Der Impuls ist, wegzuschauen oder zu verdrängen.
- Ungeduld: Selbstfreundschaft braucht Zeit; Fortschritt kommt nicht linear.
Strategien zur Überwindung
- Den inneren Kritiker entlarven: Wenn sich harte oder abwertende Gedanken melden, erkenne sie bewusst als alte Muster – nicht als Wahrheit. Allein das Wahrnehmen dieser Stimme ist der erste Schritt, um dich nicht von ihr beherrschen zu lassen.
- Perfektionismus loslassen: Erinnere dich daran, dass Achtsamkeit keine Leistung ist. Es geht nicht darum, „richtig“ zu meditieren, sondern darum, überhaupt präsent zu sein. Kleine, regelmässige Schritte sind wirkungsvoller als hohe Ansprüche.
- Schwierige Gefühle zulassen: Gefühle wie Angst, Scham oder Traurigkeit verlieren an Macht, wenn wir sie im Körper wahrnehmen und ihnen Raum geben, statt sie zu verdrängen. Indem du dir erlaubst, diese Emotionen zu spüren, wächst Mitgefühl mit dir selbst.
- Ungeduld in Geduld verwandeln: Innere Freundschaft entsteht langsam. Kurze Rituale wie ein bewusstes Innehalten am Morgen oder ein freundlicher Gedanke am Abend helfen, Vertrauen aufzubauen und dranzubleiben.
- Unterstützung annehmen: Ein MBSR-Kurs, Austausch mit anderen oder die Begleitung durch Lehrende können wertvolle Hilfen sein, wenn es alleine schwerfällt. Gemeinsam zu üben stärkt Motivation und Verbundenheit.
Praktische Übungen und Impulse für den Alltag
Damit Selbstfreundschaft nicht nur ein Konzept bleibt, hier einige konkrete Übungen und Impulse, die du sofort ausprobieren kannst:
- 5-Minuten Atemmeditation: Setze dich oder lege dich bequem hin, fokussiere deinen Atem, erlaube Gedanken und Gefühle, zu kommen und zu gehen ohne zu bewerten.
- Body-Scan: Einmal täglich, auch wenn nur für 10 Minuten. Richte sanft und neugierig deine Aufmerksamkeit von den Zehen bis zum Kopf – ohne Eile, ohne Urteil – nur fühlen und wahrnehmen.
- Mitgefühlsätze (Selbstmitgefühls-Sätze):
- „Möge ich freundlich sein mit mir selbst in diesem Moment.“
- „Ich bin nicht perfekt, ich mache Fehler, und das ist okay.“
- „Möge ich Frieden finden mit dem, was gerade ist.“
- Achtsames Tagebuch: Schreibe einmal am Tag auf, wie du dir heute Freundschaft mit dir selbst gezeigt hast – eine kleine Handlung, ein Gedanke, eine Geste.
- “Freundschafts-Geste” mit dir selbst: z. B. im Spiegel lächeln, sich selbst eine berührende Karte oder Nachricht schreiben, einen Augenblick innehalten und sich selbst eine Hand aufs Herz legen.
Die Wirkung auf lange Sicht – innere Freundschaft entwickeln
Wenn du regelmässig übst, über Wochen und Monate:
- Entwickelst du emotionale Stabilität. Gefühle, die früher überwältigend waren, verlieren an Macht.
- Selbstkritische Gedanken werden leiser; sie definieren nicht mehr dein körperliches oder emotionales Sein.
- Du reagierst in stressigen Situationen gelassener, kannst innehalten und bewusster wählen, wie du handelst.
- Mehr Selbstwert, weniger Vergleich mit anderen – du baust Vertrauen in dich selbst auf.
- Besseres Wohlbefinden insgesamt: Studien zeigen, dass Achtsamkeit + Selbstmitgefühl mit weniger Angst, Depression, Stress und mehr Lebenszufriedenheit korrelieren.
Fazit: Innere Freundschaft kultivieren – dein Weg beginnt jetzt
MBSR als Weg zur inneren Freundschaft bedeutet nicht, dass du sofort perfekt sein wirst. Es bedeutet, achtsam zu beginnen – dich selbst zu hören, anzunehmen, für dich da zu sein wie ein guter Freund.
Die Praxis von Achtsamkeit plus Selbstmitgefühl ist nicht nur Mittel zur Stressbewältigung, sondern echte Beziehungsarbeit – zu der Person, mit der du dein ganzes Leben verbringst: dir selbst.
Ein kleiner Schritt heute: Wähle eine der Übungen oben, und probiere sie bewusst. Vielleicht für 5 Minuten – nur der Atem, nur du. Beobachte, was geschieht.
Und wenn du tiefer einsteigen möchtest, freue ich mich, Dich in einem meiner MBSR-Kurse in Zürch oder via Zoom zu begrüssen.
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